Wenn du dich selbst oder die Welt nicht mehr spürst – Depersonalisation & Derealisation
- Mariangela Carta
- 23. Apr.
- 7 Min. Lesezeit
Hast du dich schon mal gefragt, ob du verrückt wirst?
Vielleicht hast du es selbst schon erlebt oder bei Klient:innen gehört: „Ich sehe mich selbst wie von außen“, „Es fühlt sich alles so unwirklich an, als wäre ich in einem Film“, „Ich weiß, dass alles echt ist – aber es fühlt sich nicht so an.“
Diese Sätze kommen nicht von Menschen, die den Bezug zur Realität verloren haben – sondern von Menschen, die mittendrin sind. Mitten in einer Erfahrung, die zutiefst verunsichern kann: Depersonalisation oder Derealisation.
In diesem Blogartikel erfährst du, was Depersonalisation und Derealisation bedeuten, wie du sie erkennst, in welchen Krankheitsbildern sie laut ICD-10 vorkommen – und vor allem, welche Behandlungsmöglichkeiten dir wirklich helfen können.
Was ist Depersonalisation? Wenn du dich selbst nicht mehr spürst
Depersonalisation ist ein Zustand, in dem sich Menschen von sich selbst entfremdet fühlen. Typisch ist das Gefühl, sich selbst wie von außen zu beobachten, als sei man nicht richtig im eigenen Körper. Viele beschreiben innere Leere, Gefühllosigkeit oder eine Art „emotionalen Nebel“.
🧠 Wichtig: Depersonalisation ist keine Psychose. Die Realität wird korrekt wahrgenommen – sie fühlt sich nur nicht so an.
Was ist Derealisation? – Wenn die Welt unwirklich wirkt
Bei der Derealisation erleben Betroffene ihre Umwelt als fremd oder künstlich.
Geräusche wirken gedämpft, Farben blass, die Welt erscheint wie durch eine Glasscheibe. Alles fühlt sich „nicht echt“ an – obwohl das Bewusstsein intakt ist.
Oft treten Depersonalisation und Derealisation gemeinsam auf – und können enorme Angst auslösen.
Eine Geschichte aus meiner Praxis
Julia*, Mitte 30, kam zu mir nach einer Trennung, massivem Stress und Schlafmangel. „Ich bin innerlich wie betäubt“, sagte sie. „Ich funktioniere, aber ich spüre nichts.“
Sie hatte große Angst, „verrückt zu werden“.
Was sie nicht wusste: Ihr Körper war im absoluten Notfallmodus. Das Gefühl der Taubheit war kein Versagen – sondern ein Schutz.
(*Name & Details anonymisiert)
Warum entstehen Depersonalisation & Derealisation?
Diese Symptome sind Schutzreaktionen des Nervensystems.
Wenn Stress, Überforderung oder traumatische Erlebnisse zu viel werden, schaltet das System auf „Überleben“. Die Verbindung zu sich selbst und zur Umwelt wird gekappt – als Schutz vor emotionaler Überwältigung.
👉 Statt Panik kommt Leere.
👉 Statt Schmerz: Distanz.
👉 Statt Reizüberflutung: Abschaltung.
Die Symptome -> Woran du Depersonalisation & Derealisation erkennst
Gefühl der Unwirklichkeit oder Entfremdung
Innere Leere, Gefühllosigkeit
Beobachtung des eigenen Körpers oder Denkens von außen
Die Welt erscheint künstlich, dumpf, fremd
Angst, „verrückt“ zu werden – bei gleichzeitigem Realitätsbewusstsein
Diese Zustände können nur Sekunden dauern – oder sich über Wochen ziehen.
Häufige Auslöser & Begleiterkrankungen (ICD-10)
Depersonalisation & Derealisation treten häufig im Rahmen anderer psychischer Erkrankungen auf. In der ICD-10 sind sie u. a. bei folgenden Diagnosen vermerkt:
F41.0 – Panikstörung
F41.1 – Generalisierte Angststörung
F43.1 – Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS)
F43.0 – Akute Belastungsreaktion
F48.1 – Depersonalisations- und Derealisationssyndrom
F32/F33 – Depressive Episoden und rezidivierende Depression
F60.x – Persönlichkeitsstörungen (z. B. Borderline)
Auch bei:
sozialen Phobien
Zwangsstörungen
chronischem Stress & Erschöpfungssyndromen
Behandlung von Depersonalisation & Derealisation
Das Problem verstehen
Die Symptome sind kein „Fehler“ – sondern ein Hinweis darauf, dass dein System überfordert ist.Das bedeutet auch: Es gibt Wege, dein Nervensystem wieder zu beruhigen.
Multimodaler Behandlungsansatz – was wirklich hilft:
Psychoedukation Verstehen entlastet. Allein zu wissen, was passiert, nimmt vielen Menschen die Angst.
Systemische Therapie & Hypnose Stärkt die Selbstverbindung & emotionale Verarbeitung.
Verhaltenstherapie Hilft, Ängste zu reduzieren und Kontrolle zurückzugewinnen.
EMDR Besonders bei traumatischen Ursachen effektiv.
Medikamente (z. B. SSRIs) Können das Nervensystem stabilisieren (immer ärztlich begleitet).
Tagesklinik oder stationäre Therapie Bei starker Beeinträchtigung der Person und der Angehörigen sinnvoll.
Infusionstherapie (z. B. mit B-Vitaminen, Magnesium) Kann körperlich stabilisieren und kurzfristig das Nervensystem entlasten – ersetzt aber keine Psychotherapie. Denn: Dissoziative Symptome wie Depersonalisation und Derealisation entstehen meist aus einer komplexen inneren Überforderung, ungelösten emotionalen Konflikten oder traumatischen Erfahrungen. Diese Ursachen lassen sich nicht durch Infusionen oder Medikamente „wegbehandeln“. Wirkliche Veränderung entsteht nur durch die bewusste Auseinandersetzung mit dem, was innerlich wirkt – und durch therapeutische Begleitung, die Stabilität, Verbindung und emotionale Verarbeitung ermöglicht.
Wichtig: Medikamente & Infusionen helfen oft akut – aber ohne psychotherapeutische Begleitung kehren Symptome häufig zurück.
Ich arbeite in einem gut vernetzten Team mit Ärzt:innen, Heilpraktiker:innen und Verhaltenstherapeut:innen zusammen – darunter auch Kolleg:innen, die Infusions-therapien anbieten. So kann eine körperliche Stabilisierung mit einer psychotherapeutischen Begleitung sinnvoll verknüpft werden – für eine bestmögliche, ganzheitliche Unterstützung auf deinem Weg.
Körperlich gegensteuern – was du selbst tun kannst
Atemübungen z. B. 4-7-8-Atmung, Summen (Vagusnerv aktivieren)
Erdung kaltes Wasser, Barfußgehen, Gewichte in der Hand
Bewegung Spaziergänge, sanftes Yoga, Rhythmus hilft!
Reize setzen ätherische Öle wie Pfefferminze oder Rosmarin
Selbstberührung z. B. Hände auf Herzraum oder Bauch
💡 Ziel: Den Körper wieder spürbar und sicher erleben.
Und... das ist so wichtig: Viele Menschen wünschen sich, einfach wieder „funktionieren“ zu können – möglichst ohne Angst. Sie wollen zurück ins Leben, zurück in die Leichtigkeit. Doch genau darin liegt manchmal auch die Falle: Wenn wir Angstsymptome nur wegmachen wollen, ohne ihnen zuzuhören, übersehen wir oft, dass sie eine tiefere Bedeutung haben können.
Was, wenn deine Angst nicht gegen dich arbeitet – sondern für dich spricht?
Was, wenn sie dich auf etwas hinweist, das du zu lange übersehen hast?
In der systemischen Therapie schauen wir gemeinsam auf die Funktion dieser Symptome. Denn Ängste – so unangenehm sie sind – versuchen oft, uns auf etwas hinzuweisen oder etwas in unserem inneren System zu regulieren. Wenn du verstehst, wofür dein System gerade kämpft, entsteht ein neuer Umgang mit der Angst.
Im hypnosystemischen Ansatz gehen wir noch einen Schritt weiter. Wir beziehen auch das Unbewusste mit ein und nutzen innere Bilder, Metaphern und imaginative Verfahren, um neue Lösungsräume zu öffnen. Symptome wie Depersonalisation oder Derealisation sind hier nicht nur Ausdruck von Überforderung, sondern auch wichtige „Hinweisschilder“ deines inneren Systems. Gemeinsam erkunden wir, welche unbewussten Dynamiken, Loyalitäten oder inneren Anteile beteiligt sind – und wie du dich Schritt für Schritt wieder mit deinem Erleben, deinem Körper und deiner Selbstwirksamkeit verbinden kannst.
Das Ziel ist nicht, die Angst einfach wegzumachen, sondern sie zu verstehen – und damit den Weg frei zu machen für echte, innere Sicherheit.
🧠 Deshalb ist auch deine innere Mitarbeit – deine Compliance – so wichtig: Psychotherapie ist kein Wellnessprogramm, das man einfach konsumiert.
Es ist kein Netflix-Abo, bei dem du dich zurücklehnst und hoffst, dass nach Folge 8 alles leichter wird.
Veränderung passiert nicht durch Zuschauen. Veränderung passiert, wenn du bereit bist, dich unbequemen Wahrheiten zu stellen. Wenn du ehrlich hinschaust, auch wenn's drückt.
Wenn du Fragen zulässt, auf die du vielleicht keine schnellen Antworten hast.
Du musst dich dafür nicht verbiegen.
Aber du darfst echt sein.
Und ja – manchmal piekst es da, wo du dich selbst lange nicht gespürt hast. Doch genau dort liegt der Anfang.
Deine Fragen als Wegweiser zurück zu dir – Reflexion bei Depersonalisation & Derealisation
Warum Reflexionsfragen?
Weil sie dir helfen können, einen inneren Anker zu setzen. Wenn dein System im Alarmzustand ist – wie bei Depersonalisation oder Derealisation – fehlt oft genau das: ein bewusster Zugang zu deinem Erleben. Dein Denken ist wie eingefroren oder rast, dein Fühlen ist abgeschaltet.
Durch gezielte Fragen lenkst du deine Aufmerksamkeit sanft zurück auf dich:
Was spüre ich gerade?
Was passiert in mir – ohne Bewertung?
Reflexion ist kein Allheilmittel, aber ein Anfang.
Eine Einladung an dich, dich wieder als aktiv Handelnde:r in deinem Leben zu erleben. Und das ist genau das, was Dissoziation oft nimmt: das Gefühl von Selbstwirksamkeit.
Wann spürst du dich am meisten – und wann am wenigsten?
Welche Situationen lösen Fremdheitsgefühle aus?
Was hilft dir, im Hier und Jetzt zu sein?
Welche innere Stimme meldet sich, wenn du innehältst?
Gibt es ein Gefühl, das du (noch) nicht fühlen willst? Wann spürst du dich am meisten – und wann am wenigsten?
Welche Situationen lösen Fremdheitsgefühle aus?
Was hilft dir, im Hier und Jetzt zu sein?
Du bist nicht allein – lass uns drüber sprechen
Vielleicht hast du dich beim Lesen dieses Artikels wiedererkannt. Vielleicht hast du gespürt: "Ja, genau so fühlt es sich an." Oder du hast gemerkt: Meine Angst spricht – und ich habe sie zu lange ignoriert. Dann lies gern auch diesen Artikel:👉 Angst als Ressource – warum du deiner Angst Raum geben solltest
Dann schreib es auf. Lass es raus. Teile deinen Gedanken, deine Frage oder deinen Aha-Moment gern in den Kommentaren. Dein Impuls kann auch anderen helfen, sich weniger allein zu fühlen.
Oder schick mir direkt eine Nachricht – ich freue mich, von dir zu hören. Vielleicht hast du eine ganz eigene Erfahrung mit Depersonalisation oder Derealisation gemacht? Vielleicht kämpfst du gerade damit – oder hast einen Weg daraus gefunden? Dann teile ihn – für dich und für andere. Denn jedes ehrliche Wort in den Kommentaren ist ein kleines Stück Verbindung. Und genau die brauchen wir, wenn das Leben sich fremd anfühlt..
Ich freu mich, wenn du deine Gedanken teilst. Denn: Vergiss nicht – du bist nicht allein. dient der Aufklärung und ersetzt keine medizinische oder psychotherapeutische Behandlung.
Ich begleite dich gern auf diesem Weg – in deinem Tempo, auf deine Art.
Hinweis
Dieser Artikel dient der Aufklärung und ersetzt keine medizinische oder psychotherapeutische Behandlung.
Bitte wende dich bei starken oder anhaltenden Symptomen an eine:n Fachärzt:in oder eine:n approbierte:n Psychotherapeut:in.
Ich begleite dich im Rahmen meiner Zulassung als Heilpraktikerin für Psychotherapie mit einem klaren Fokus auf Verbindung, Stabilität und ganzheitlicher Begleitung.
📞 In akuten psychischen Krisen erreichst du den psychiatrischen Krisendienst unter 0800 – 655 3000 (kostenfrei und rund um die Uhr).
Weitere Infos unter: www.krisendienste.bayern
Lass dich erinnern – wenn’s wirklich wichtig ist
📨 Du musst dir nicht alles merken. Versprochen.
Manchmal reicht es, zur richtigen Zeit die richtige Erinnerung zu bekommen. Wenn du möchtest, dass dich neue Blogartikel, YouTube-Videos oder Podcastfolgen automatisch erreichen – genau dann, wenn sie zu deinem Thema passen – dann trag dich gern in meinen Newsletter ein.
💌 Als kleines Willkommensgeschenk erhältst du meine Affirmationskarte als PDF zum Download. Für dein Handy, deinen Spiegel – oder einfach als tägliche Erinnerung, dass du genau richtig bist, wie du bist.
(Abmeldung jederzeit möglich. Kein Spam, versprochen.)
コメント